Der Trek zum Poonhill

Wenn man in Nepal ist, muss man einfach in den Bergen, genauer gesagt im Himalaya, wandern. Da wir unterwegs selten bis gar nicht dazu gekommen sind, wirklich Sport zu machen, geschweige denn unserer Leidenschaft, dem Bergwandern, nachzugehen, haben wir uns für unsere erste Tour eine der leichteren Wanderrouten ausgesucht: Den Trek zum Poonhill. Er gehört mit seinen rund 3.200 Metern in Nepal eher zur Kategorie „Hügel“, bietet jedoch eine atemberaubende Aussicht auf das Annapurna-Massiv. Die Wanderung dauert, je nach Kondition und Geschwindigkeit, vier bis sechs Tage. Wir haben uns fünf Tage Zeit genommen, sind dabei insgesamt 37 Kilometer weit gelaufen und haben 3.900 Höhenmeter im Aufstieg sowie 3.280 Höhenmeter im Abstieg bewältigt.

Tag 1: Von Nayapul (1.050m) nach Thikkedunga (1.557m) – ca. 6 Stunden

Kurz vor Nayapul parken wir den Schrödinger am Straßenrand, schnüren unsere Wanderstiefel und stapfen gegen zehn Uhr Vormittags los. Zuerst führt der Weg durch das Dorf, wo wir an einem Checkpoint unsere TIMS Karten, eine Art Registrierung für Trekker, vorzeigen und stemplen lassen. Über eine Hängebrücke, an deren Ende wir bei einem weiteren Checkpoint unsere Trekkingerlaubnis vorzeigen müssen, windet sich der Pfad entlang des Modi Flusses sanft bergauf. Allein sind wir auf diesem Weg erstmal nicht. Neben unzähligen weiteren Wanderern, die mit ihren Sherpas unterwegs sind, geraten wir zu allem Überfluss auch noch mitten in ein paar nepalesische Schulklassen auf Wandertag. Die Schüler haben so viel Lust auf Wandern wie wir in ihrem Alter auch gehabt hätten und vertreiben sich die Zeit mit lauter Technomusik, die aus ihren Handy´s dröhnt. Das fängt ja gut an. Nach gut zwei Stunden im Schülerpulk beschließen wir daher, erstmal eine kleine Pause in Birethanti einzulegen und die lärmende Horde an uns vorbeiziehen zu lassen. Nach dem Dorf wird der Weg immer steiler, doch wir arbeiten uns zwar langsam aber kontinuierlich nach oben. Gegen vier Uhr nachmittags erreichen wir schließlich Thikkedunga. Erstaunlicherweise sind wir noch recht gut drauf und suchen uns in Ruhe eine Unterkunft für ganze zwei Euro pro Nacht. Die Zimmer sind sehr einfach, haben aber eine schöne Aussicht und es gibt eine heiße Dusche. Was braucht man mehr? Wir sind total stolz, dass die erste Etappe so gut geklappt hat. Doch eine deutsche Wandergruppe in unserer Unterkunft, versucht uns schon mal vorsichtig auf den nächsten Tag vorzubereiten. Einer der Wanderer, die fast 14 Tage lang um das ganze Annapurna-Massiv unterwegs waren, hält sich sein schmerzendes Knie und  wir hören Schauergeschichten von tausenden von Treppenstufen. Wird schon nicht so schlimm sein.

Wir werden uns nie wieder über zu schwere Rucksäcke beschweren
Wir werden uns nie wieder über zu schwere Rucksäcke beschweren
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Tag 2: Von Thikkedunga (1.557m) nach Nangethanti (2.580m)
– 7:30 Stunden

Um sechs Uhr früh klingelt der Wecker und nach einem kurzen Frühstück geht es um halb acht auch schon wieder los. Mitten im Dorf von Thikkedunga hört der Weg plötzlich auf ein richtiger Weg zu sein und es geht nur noch über Treppenstufen steil bergauf. Und bergauf. Und bergauf. Nach zwei Stunden Treppensteigen beginne ich mich langsam zu fragen, warum ich mir das eigentlich antue. Hätten wir uns nicht einfach ein paar Fotos im Internet anschauen können? Insgesamt 3.280 Treppenstufen sind es bis zum Ziel. Die Idee, sie zu zählen, verwerfen wir schnell wieder, da wir uns bei dem Durcheinander nicht darauf einigen können, welcher Stein tatsächlich eine Stufe ist und welcher nicht.

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Stufen über Stufen

Doch mit der Zeit gewöhnen sich Beine und Atmung an die Anstrengung und wir finden wieder die Kraft, uns umzusehen. Immer wieder überquert man auf mehr oder weniger spektakulären Brücken kleine Bachläufe und auch das Klima wird im Schatten der Bäume immer angenehmer. Gelegentlich werden wir von Eselskarawanen überholt, die vom Gemüse bis hin zu Gasflaschen wohl fast Alles in die Berge transportieren. Zum Glück sind auf diesem Abschnitt weniger Wanderer unterwegs und wir haben den Weg fast für uns alleine. Unseren ursprünglichen Plan, ein paar Kilometer vor Nangethanti schon Halt zu machen, verwerfen wir, da wir unser Ziel schon am frühen Nachmittag erreichen. Sind ja nur noch ein paar Kilometer. Denken wir. Doch diese fangen an, sich so richtig zu ziehen. Als wir nach einer Wegbiegung endlich unser neues Tagesziel sehen, wird unsere Freude jäh gebremst: Wir müssen erst nochmal ein ganzes Stück absteigen um auf der anderen Seite eines Baches wieder nach oben zur Siedlung zu gelangen.

IMG_5439Das geht jedoch schneller als gedacht. In ganz Nangethanti sind wir für diesen Abend die einzigen Gäste. Wir mieten uns bei einer netten älteren Dame ein, die uns stolz ihre einfache, aber blitzsaubere Küche zeigt. Als wir uns um sieben Uhr Abends ins Bett legen, protestiert Michi lautstark, dass er jetzt auf keinen Fall schon schlafen könne. Als ich mich kurze Zeit später nach ihm umdrehe, schnarcht er bereits genüsslich.

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Einfach aber sauber - Die Küche in unserer Unterkunft
Einfach aber sauber – Die Küche in unserer Unterkunft
Tag 3: Von Nangethanti (2.580m) nach Ghorepani (2.750m) – 2 Stunden

Nach elf Stunden Schlaf, den wir nach dem gestrigen Aufstieg auch bitter nötig hatten (von wegen Michi kann nicht so lange schlafen), machen wir uns gegen acht Uhr vormittags wieder auf den Weg. Heute wird es entspannter. Wir haben nur ein paar hundert Höhenmeter vor uns. Und tatsächlich: Schon nach zwei Stunden erreichen wir das Dorf Ghorepani, von dem aus wir am nächsten Tag auf den Poonhill gehen werden. Eines der ersten Gebäude, das uns in Ghorepani auffällt, ist, neben den vielen Guesthouses, eine „German Bakery“.

IMG_5450Kurze Zeit später lernen wir noch den nepalesischen Bergführer Krishna kennen, der Michi erstmal mit einem gepflegten „Was geht, Digger?“ begrüßt. Na toll, dafür sind wir jetzt über 10.000 Kilometer mit dem Auto gefahren und auf einen nepalesischen Berg gewandert? Krishnas Antwort auf diese Frage: „Mega geil!“ Zusammen mit ihm und einigen anderen Trekkern aus Israel, Neuseeland und Südamerika mieten wir uns in einem Guesthouse ein und verbringen den restlichen Tag und Abend mit Kartenspielen, Teetrinken und ganz viel Plaudern. Zwischendurch schlendern wir durch Ghorepani und spielen auf fast 2.800 Metern in einer windigen Kneipe sogar eine Runde Billard. Morgen früh geht es auf den Poonhill und alle hoffen, dass die Sicht besser ist, als in den letzten Tagen. Zu dieser Jahreszeit ist es in Nepal sehr dunstig und die Wanderer vor uns konnten vom Poonhill aus leider keinen einzigen Gipfel sehen.

Tag 4: Von Ghorepani (2.750m) zum Poonhill (3.210m) nach Tadapani (2.590m) – 8 Stunden

Der Wecker klingelt um vier Uhr morgens, es ist noch stockfinster und natürlich ziemlich kalt. Meine absolute „Lieblingskombination“. Mit kleinen Augen schlürfen wir noch einen Tee, schnallen uns die Stirnlampen um und machen uns in der Dunkelheit auf zum Poonhill. Zusammen mit gefühlt hunderten Japanern und den Leuten aus unserem Guesthouse steigen wir abermals über  unzählige Treppenstufen nach oben. Doch die Mühe hat sich gelohnt. Wir haben Glück und als schließlich die Sonne aufgeht, bietet sich uns ein traumhafter Blick auf den Machapuchare (6.993m), den Annapurna Süd (7.218m) und unserem ersten Achttausender, den Dhaulagiri (8.167m).

Blick auf den Annapurna Süd und den Mount Fishtail
Blick auf den Annapurna Süd und den Mount Fishtail

Nach einem ausgiebigen Frühstück zurück im Guesthouse setzen wir unseren Weg fort. Da uns das Wandern bisher so gut gefallen hat, wollen wir nun nicht, wie zuerst geplant, auf dem gleichen Weg zurück gehen, sondern die ganze Poonhill-Runde wandern. Wir verlassen Ghorepani und wandern auf dem schmalen Pfad durch wunderschön blühende Rhododendron-Wälder, erhaschen immer wieder tolle Blicke auf das Annapurna-Massiv oder laufen entlang glasklarer Bäche.

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Heute ist der Trek ziemlich voll. Immer wieder treffen wir auf die gleichen Wanderer und machen uns gegenseitig Mut. Denn der Weg ist recht anstrengend. Zuerst geht es über mehrere Stunden steil bergab. Natürlich über Stufen. Wir hätten uns nie träumen lassen, dass dies anstrengender sein könnte, als bergauf zu gehen. Bei einer kleinen Pause nach einem kräftezehrenden Aufstieg treffen wir auf eine Gruppe Sherpas. Michi möchte sich unbedingt ebenfalls als Träger ausprobieren und versucht, sehr zur Erheiterung der jungen Männer, einmal kurz ihre Last zu schultern – er schafft es nicht mal, den Tragesack vom Boden wegzubekommen. Bis zu 55 Kilogramm schleppen die schmächtigen Männer den Berg hinauf und hinunter. Viele von ihnen haben nur Flip Flops an den Füßen und schwitzen und keuchen was das Zeug hält. Beeindruckend! Einige tragen sogar kleine Kinder auf dem Rücken, deren Eltern unbedingt einen Mehrtagestrek absolvieren wollen.

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In Tadapani mieten wir uns zusammen mit den Wanderern, die wir am Vortag und auf dem Trek kennengelernt haben, in einem Guesthouse ein. Auf einem Schild wird eine heiße Dusche versprochen. Diese entpuppt sich jedoch als großer Eimer mit warmen Wasser und zwei Bechern. Dicht gedrängt sitzen wir spätnachmittags zusammen in einer Stube um einen Holzofen, als draußen ein mächtiges Gewitter losbricht. Als es vorbei ist, reißt die Wolkendecke auf und wir stellen fest, dass das Annapurna-Massiv zum Greifen nah scheint. Was für ein Anblick! Wir sind mittlerweile so sehr in Wanderlaune, dass wir uns am nächsten morgen einer Gruppe anschließen und mit ihnen zu einer heißen Quelle wandern wollen. Auf zwei Tage mehr oder weniger kommt es uns nun auch nicht mehr an.

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Tag 5: Von Tadapani (2.590m) nach Gahndruk (1.940m) und mit dem Taxi zurück nach Nayapul

Leider müssen wir unseren Trek vorzeitig abbrechen. Michi hat wohl schlechtes Essen erwischt und dementsprechend eine schlimme Nacht hinter sich. Obwohl ihm immer noch sehr übel ist, beschließen wir, weiter nach Ghandruk zu wandern und uns von dort aus mit einem Taxi zurück nach Nayapul bringen zu lassen. Dank des Gewitters am Vortag ist die Luft nun klar. Die Sonne scheint und während des gesamten Weges haben wir eine traumhafte Aussicht auf die Berge. Diese können wir jedoch aufgrund der vergangenen Nacht nicht so richtig genießen. Immer wieder müssen wir stehen bleiben, damit Michi sich kurz ausruhen kann. Ich mache mir Sorgen, ob er heil wieder vom Berg runter kommt.

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Doch Alles geht gut und nachdem Michi auf der Hausbank einer Hütte entlang des Weges noch ein wenig geschlafen hat, kommen wir unversehrt in Ghandruk an. Eine Stunde lang holpern wir noch mit einem Taxi über die staubige Bergstraße. Neben der Sorge um Michi wachsen auch immer mehr meine Zweifel hinsichtlich der Wahl unseres Parkplatzes. Unbewacht, direkt am Rand einer vielbefahrenen Straße haben wir den Schrödinger einfach zurückgelassen. Was für eine dumme Idee! Hoffentlich ist alles in Ordnung. Da die Straße durch Nayapul wegen Bauarbeiten gesperrt ist, müssen wir den letzten Kilometer nochmals zu Fuß zurücklegen. Mittlerweile haben wir einen schlimmen Muskelkater und Ansätze von Blasen an den Füßen vom vielen bergab laufen. Endlich taucht der Schrödinger am Horizont auf. Er ist zwar ziemlich eingestaubt, aber sonst geht es ihm gut.

Obwohl das Ende unseres ersten Treks nicht so gelaufen ist, wie wir es uns vorgestellt haben, haben wir nun trotzdem Lust auf mehr. Nachdem wir uns auf dem Campingplatz in Pokhara noch ein wenig erholt haben, wollen wir nach Lukla fliegen und von dort aus versuchen, einen Blick auf den Mount Everest zu erhaschen.

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