Von Walen und Elefanten

Jetzt sind wir Waisen: Der Schrödinger ist auf einem Schiff Richtung Mumbai. Wir müssen uns erstmal alleine durchschlagen. Gut eine Woche soll es dauern, dann können wir unser Auto wieder in Empfang nehmen. In dieser Zeit wollen wir mit unseren Rucksäcken das schöne Sri Lanka erkunden. Ich bin aufgeregt. Nur mit einem Rucksack, ohne mein eigenes Bett und Bad war ich noch nie unterwegs. Ob mir das gefällt?

Nach dem trockenen Wüstenklima in den Emiraten trifft uns die warme, feuchte Luft wie ein Schlag. Alles lebt, blüht, grünt, summt und raschelt. Wir sind im Dschungel! Die ersten zwei Tage verbringen wir entspannt in einem hübschen kleinen Hotel direkt an einem Bilderbuch-Strand in der Nähe von Galle im Südwesten des Landes. Wir haben ein wenig Pech mit dem Wetter. Obwohl der Monsun längst vorbei sein sollte, regnet es täglich ein paar Stunden. Doch der Regen fühlt sich anders an als Zuhause in Deutschland. Die dicken Tropfen sind warm und weich. Immerhin, das Geräusch ist vertraut.

In den südlichen Gewässern von Sri Lanka tummeln sich um diese Jahreszeit jede Menge Blauwale. Das wollen wir natürlich sehen. Bei Sonnenaufgang gehen wir an Bord eines Schiffes, das uns hinaus zu den Walen bringt. Der Wetterbericht verspricht raue See für den Tag. Obwohl ich eigentlich seefest bin, greife ich als Einzige zu, als die Crew des Schiffs beim Ablegen Tabletten gegen Seekrankheit austeilt. Man weiß ja nie. Die Tour soll bis zu acht Stunden dauern. Es vergehen keine 30 Minuten und schon hängen die ersten Passagiere über der Reeling. Vielleicht locken sie ja so wenigstens ein paar Wale an, hoffe ich noch und versuche, mich vom allgemeinen Würgen und Husten nicht anstecken zu lassen. Wir werden nicht enttäuscht. Schon nach kurzer Zeit sehen wir riesige Schildkröten und Unmengen an Blauwalen. Was für ein Glück! Eine „Free-Willy-Moment“ erleben wir zwar nicht, dennoch ist es sehr beeindruckend, diese riesigen Tiere dabei zu beobachten, wie sie zum Atmen an die Wasseroberfläche kommen und schließlich majestätisch ihre Schwanzflossen in die Luft heben, kurz bevor sie wieder untertauchen. Nach sechs Stunden Fahrt sind wir jedoch froh, als wir völlig erschöpft und salzwasserverkrustet wieder im Hafen einlaufen. Zwischenzeitlich ging es fast allen Passagieren ziemlich schlecht, einige können nicht mal mehr aufstehen und liegen an Deck. Ich kann keine seekranken Menschen mehr sehen, geschweige denn hören, während Michi sogar noch die Nerven hat, ein Sandwich zu verdrücken.

 

Tags darauf unternehmen wir eine abenteuerliche Busfahrt zum Uda Walawe Nationalpark. Der Blick nach vorne ist mir von einem Bild einer lächelnden Hindugöttin mit acht Armen verstellt. Irgendwann bemerke ich, dass Michi völlig erstarrt mit weit aufgerissenen Augen neben mir sitzt. Er hat einen guten Blick auf die riskanten Fahrmanöver unseres Busfahrers. Ich habe davon nichts bemerkt. Da ich den Linksverkehr noch nicht gewohnt bin, ist mir nicht aufgefallen, dass der Bus permanent auf der falschen Straßenseite unterwegs ist. Wieder etwas gelernt: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Am Rande des Nationalparks übernachten wir in einer Art Camp mit befestigten Zelten. Wir schlafen kaum, da wir uns ständig im Moskitonetz einwickeln und ich von großen bösen Spinnen träume, die nur darauf warten, dass eine Zehe von mir unter dem Netz hervorlugt. Als ich am nächsten Tag aufwache hat sich nicht mal eine Ameise zu uns ins Zelt verirrt.  Im Morgengrauen machen wir uns mit dem Safarijeep auf in den Urwald. Wir hoffen, zumindest den einen oder anderen Elefanten aus der Ferne erspähen zu können. Doch es kommt viel besser: Nicht nur, dass wir den Jeep und unseren Guide ganz für uns alleine haben, die Elefantenherden mit ihren Jungtieren kommen uns so nahe, dass wir sie fast berühren können! Auch der ein oder andere, zum Glück entspannte, Elefantenbulle kreuzt unseren Weg. Hinzu kommen Unmengen an Pfauen, bunten Vögeln, Wasserbüffel, Warane und: ein Hühnchen!

 

Da wir schon mittags wieder zurück im Camp sind, ziehen wir weiter in Richtung Ella: Eine kleine Stadt, die malerisch in den Bergen Sri Lanka´s gelegen ist. Wir haben keine Lust auf fünf Stunden Busfahren und nehmen wir uns für 25 Euro ein TukTuk. Drei Stunden dauert die Fahrt mit Fahrer Nalim, der uns immer wieder an besonders schönen Stellen aussteigen und fotografieren lässt.

In Ella finden wir ein schönes Guesthouse von dessen Balkon aus man einen traumhaften Blick ins Tal hat. Da wir ziemlich erschöpft sind und die Rottis (mit scharfen Gemüse gefüllte Teigtaschen), die wir an einem etwas zweifelhaften Stand am Straßenrand gekauft haben, leider wohl nicht mehr ganz so frisch waren, bleiben wir die meiste Zeit in der Pension und genießen den Ausblick. In Ella sind viele junge Rucksackreisende unterwegs. Die ganze Stadt besteht eigentlich nur aus Bars, Restaurants und Guesthouses. Sieht so Backpacking aus? Es ist zur Abwechslung zwar schon einmal sehr entspannend, sich nicht um die Wehwechen unseres Autos sowie Gas und Frischwasser sorgen zu müssen, doch irgendwie kommt mir das Reisen mit dem Schrödinger viel geselliger vor. Man knüpft viel schneller Kontakte zu Einheimischen oder anderen Reisenden. Ich hatte gehofft, in einer der vielen Bars ein paar spannende Backpacker-Geschichten zu hören zu bekommen, doch die Reisenden wollen lieber unter sich bleiben. Allerdings sind wir auch zum ersten Mal mit dem Rucksack unterwegs und so kann man diese Erfahrung sicher nicht verallgemeinern. Wir möchten es auf jeden Fall irgendwann nochmal versuchen. Um ehrlich zu sein, bin ich auch froh, dass die Infrastruktur für Backpacker so gut ausgebaut ist. Auch wenn ich bei den fleckigen Laken im Guesthouse den Schrödinger und unser Bett sehr vermissen.

 

Von Ella aus müssen wir uns auch schon wieder auf den Weg zurück in die Hauptstadt Colombo machen. Zehn Stunden dauert die anstrengende Fahrt mit dem Zug. Die ersten fünf Stunden von Ella bis zum kulturellen Zentrum Kandy fährt die Bahn durch eine der schönsten Landschaften, die wir jemals gesehen haben. In Schlangenlinien geht es entlang der Berge, durch Teeplantagen und Reisfelder. Wir kommen aus dem Staunen kaum heraus. Als wir in Colombo ankommen, sind wir allerdings fix und fertig. Zehn Stunden in einem wackligen Zug mit einer Klimaanlage, die nur aus einem dreckigen Ventilator besteht, einmal quer durch Sri Lanka, sind dann doch schon etwas zu viel in unserem Alter.

 

In einem Cafe kommen wir zufällig mit einem Pärchen aus Mumbai ins Gespräch. Als wir Happy und Nicole von unserer Reise mit dem Schrödinger erzählen, sind sie so begeistert, dass sie uns spontan zu einer Party einladen. Wir tauschen Telefonnummern, gehen mit den beiden und zwei weiteren Freunden noch Essen und sie nehmen uns sogar noch in ihrem klimatisierten Kleinbus mit zum Flughafen. Wir bezweiflen ein wenig, dass wir die beiden wieder sehen, aber Hauptsache wir bekommen den Schrödinger schnell zurück und können auf unsere Art Indien erkunden. Doch wie so oft: In beiden Punkten lagen wir komplett daneben. Denn: Evertyhing is possible in India!

3 Antworten auf „Von Walen und Elefanten“

  1. Hey Mitch,
    tolle Tour die Ihr da macht. Echt beneidenswert. Bin grad in Myanmar unterwegs, aber warscheinlich auch schon wieder weg wenn Ihr hier ankommt.

    Viel spass noch auf eurer Reise, vieleicht sieht man sich ja nach eurer Rückkehr in München auf ein Bierchen.

    Gruß Peter

    1. Sevus Peter! Oh schade, das wird sich wahrscheinlich nicht ganz ausgehen, wir werden wohl erst im Mai in Myanmar sein. Aber das mit dem Bierchen kriegen wir nach unserer Rückkehr auf jeden Fall hin!

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