Der ganz normale Wahnsinn in Bandar Abbas

Als wir am frühen Morgen den Motor starten, glitzert das Eis an Schrödinger´s Fenstern in der aufgehenden Sonne. Die Nacht auf 2.500 Metern war mit minus drei Grad bitterkalt. Nach gut acht Stunden Fahrt empfängt uns Bandar Abbas dann aber mit schwülen 30 Grad – nachts! Wir steuern, einen großen Park direkt am Meer an und entdecken dort zwei weitere Overlander-Fahrzeuge: Ellen und Perry, mit ihrem großen Mercedes Truck und Mia und Martin im VW Bus. Alle sind, genau wie wir, Richtung Indien unterwegs. Während die Vier schon die Fähre am nächsten Tag nach Dubai nehmen, müssen wir erstmal unsere Tickets besorgen.

 

Bei der Verschiffung nach Dubai haben wir professionelle Unterstützung

Zum Glück bekommen wir hierbei professionelle Hilfe: Mein Arbeitskollege Michael stellt für uns den Kontakt zum Onkel seiner Frau her. Hamid, so der Name des Onkels, ist in Bandar Abbas Inhaber eines Optikgeschäfts. Schon um sieben Uhr morgens erwartet er uns. Bevor es zum Ticketschalter für die Fähre geht, „müssen“ wir erstmal mit zu ihm Nachhause, wo uns schon seine Frau mit einem leckeren Frühstück erwartet. Es gibt iranisches Omelette, unser geliebtes Sangak-Brot, Fetakäse, Gemüse und natürlich jede Menge Schwarztee.

Zwei Stunden später sitzen wir im Büro der iranischen Fährgesellschaft. Hamid diskutiert mit den Beamten. Wir haben keine Ahnung, worum es geht. Nach einigem Hin und Her sowie zwei weiteren Tassen Schwarztee kann leider selbst Hamid keinen günstigeren Preis für uns aushandeln. So zahlen wir für die Überfahrt 700 Euro und zusätzlich nochmals rund 300 Euro für Hafengebühren und Abwicklung. Die Rückfahrt zu Hamids Haus nutzen wir, um gleich noch einen Ölwechsel am Schrödinger vornehmen zu lassen. Der Mechaniker versenkt prompt unsere Ölablassschraube samt Dichtung in seiner bis zum Rand gefüllten Ölwanne, was Michi Gott sei Dank gerade noch bemerkt. Mit bloßen Händen muss sich der arme Mechaniker schließlich auf die Suche begeben und sich dabei auch noch von seinen Kollegen und uns auslachen lassen.

Da unser Schiff den Hafen von Bandar Abbas erst in zwei Tagen verlassen wird, verbringen wir die Zeit bis dahin mit Hamid und seiner Familie.  Zuhause angekommen, empfängt uns auch schon wieder ein köstliches Essen. Hühnchen und Safranreis mit Berberitzen, dazu gedünstetes Gemüse. Wir schlemmen, bis wir fast platzen. Spät abends nimmt uns Hamids Tochter Naszi zusammen mit ihren Freundinnen mit auf eine Shopping Tour. Ich brauche dringend noch leichtere Kleidung für die Zeit in Dubai. Gemeinsam laufen wir quer durch die Stadt und trotz anfänglicher Sprachbarrieren verstehen wir uns prächtig. Das nicht zuletzt, weil Naszi mir im dichten Straßenverkehr mehrfach das Leben rettet, indem sie mich einfach zwischen den ganzen Fahrzeugen über die Straße zieht und schiebt und dabei gleichzeitig noch dafür sorgt, dass ich nicht in einer der zwei Meter tiefen offenen Kanalisationsrinnen am Straßenrand verschwinde.

Zwar besteht Hamid eigentlich darauf, dass wir in seiner Wohnung übernachten, wir können ihn jedoch davon überzeugen, dass wir uns gerne wieder auf unseren Parkplatz am Meer zurückziehen wollen. Es ist ein schwüler und heißer Abend. Neben uns bereiten auch schon die Händler ihr Nachtlager vor. In Bandar Abbas ist es völlig normal, dass viele Menschen im Freien schlafen. Sie breiten ihre Teppiche auf den Gehwegen aus, kochen Tee, rauchen Shisha und rollen sich schließlich in ihre Decken ein. Leider bekommt Michi der Klimawechsel nicht sehr gut. In der Nacht leidet er an Schüttelfrost und hohem Fieber.

 

Mädelsabend in Bandar Abbas

Da er auch am nächsten Tag noch nicht wieder ganz auf dem Damm ist und sich erstmal ausruhen möchte, verbringe ich einen Mädelsabend mit Naszi und ihren Freundinnen. Zuerst will ich mir die Haare machen lassen. Mit einem Taxi fahren wir zum Beautysalon. Versteckt in einem Hinterhof öffnet uns eine Frau die Tür zu einer zum Friseursalon umfunktionierten Wohnung. Die Fenster sind blickdicht verhangen. Im Salon herrscht fröhliches Treiben. Die Frauen sind freizügig gekleidet und tragen keine Kopftücher. Welch eine Oase! Ich fühle mich wie in einem Geheimclub. Doch ich bin auch ein wenig nervös: Der Haaransatz braucht dringend mal wieder etwas blonde Farbe. Hoffentlich haben die hier nicht nur scharfes Färbemittel für dunkle Haare. Nachher fallen sie mir noch aus! Doch natürlich versteht die Friseurin ihr Handwerk und eine gute Stunde später betrachte ich das frisch geföhnte Ergebnis glücklich im Spiegel.  Den Rest des Abends verbringen wir mit Shoppen und Shisha Rauchen. Ein perfekter Mädelsabend, würde ich behaupten.

Mit dem Schrödinger auf hoher See

Waren wir tags zuvor noch glücklich, dass der Ticketkauf für die Fähre recht zügig und reibungslos von statten ging, stehen wir Mittwoch morgens total verloren auf dem Hafengelände. Zusammen mit Hamid rennen wir von Schalter zu Schalter, von Büro zu Büro, zeigen unsere Pässe, sammeln Unterschriften und Stempel. Es ist wirklich unglaublich: Die Abwicklung der Hafenbürokratie scheint keinem festgelegten Prozess zu folgen. Auch gibt es keine Liste oder einen Laufzettel, dem man entnehmen könnte, was man den nun eigentlich zu tun hätte. Vier Stunden lang werden wir also von Pontius zu Pilatus geschickt, nur um immer wieder festzustellen, dass doch noch irgendein Stempel fehlt. Wir kommen uns vor wie Asterix und Obelix auf der Suche nach dem Passierschein A38. Ich werde mich nie wieder über den KVR München beschweren. Versprochen!

Zu allem Überfluss sind die Männer an den Schaltern auch noch zu faul, sich selbst Kopien von unseren Dokumenten zu machen und so muss Hamid mehrmals quer über das Hafengelände laufen, um welche zu besorgen. Wir sind ihm so dankbar für seine Unterstützung. Hätten wir ihn nicht, müssten wir viel Geld für einen iranischen Hafenagenten bezahlen. Wir treffen ein paar andere Deutsche, die ebenfalls ihre Wohnmobile verschiffen wollen. Völlig aufgelöst erzählen sie uns, dass ihr Agent alle Dokumente durcheinandergebracht hätte und sie nach Stunden nun quasi wieder von vorne anfangen müssten. Einmal mehr an diesem Tag danken wir Allah für Hamid. Endlich kommen wir am letzten Schalter an und Hamid reicht, nach vier Stunden Arbeit sichtlich erleichtert, das letzte Dokument ein. Der Mann am Schalter wirft einen prüfenden Blick darauf und stellt trocken fest: „Hier fehlt noch ein Stempel.“ Jetzt klappt auch dem gutmütigen Hamid die Kinnlade herunter. Das Gesicht des Beamten verzieht sich zu einem Grinsen. War doch nur Spaß!

Den Nachmittag und frühen Abend verbringen wir nochmals Zuhause bei Hamid, bevor es heißt, Abschied zu nehmen. Von Naszi bekomme ich noch ein selbstgemachtes Armkettchen und eine selbstgemalte Grafik geschenkt, die sofort einen Ehrenplatz im Schrödinger bekommt. Pünktlich um sechs sind wir auf dem Hafengelände. Um neun soll das Schiff ablegen. Wir passieren, nach Männern und Frauen getrennt, eine Sicherheitsschleuse. Zusammen mit zwei anderen deutschen Frauen betrete ich als erstes den Raum mit der Security-Frau. Diese zieht sich plötzlich geräuschvoll einen Gummihandschuh über. Um Gottes Willen! Was passiert denn jetzt?! Doch natürlich werden wir nur vorsichtig mit einem Metalldetektor abgetastet. Puh, nochmal Glück gehabt, denke ich, während die beiden anderen Damen immer noch lauthals über meine kleine Panikattacke lachen müssen. Drei Stunden lang sitzen wir in der Wartehalle, bis wir endlich um neun Uhr unser Auto auf´s Schiff fahren können. Danach dauert es nochmal zwei Stunden, bis der Kapitän endlich beschließt, doch noch die Fähre zu betreten und uns nach Dubai zu bringen. Schlafen dürfen wir zum Glück im Schrödinger. Im Laderaum ist es stickig, heiß und laut, was mich nicht davon abhält, mich einfach hinzulegen und durchzuschlafen, während Michi die Hälfte der Nacht an Deck verbringt. Doch davon bekomme ich längst nichts mehr mit mit.

Bei strahlendem Sonnenschein und heißen 30 Grad erreichen wir am nächsten Morgen Dubai. Als wir von der Fähre fahren, bekommen wir von einem Mann einen Zettel in die Hand gedrückt, auf dem beschrieben steht, wie wir das Auto nun aus dem Hafen bekommen. Juhu! Dann sind wir ja gleich in Dubai, denken wir noch. Vier Stunden Gerenne, Stempel und Unterschriften später verlassen wir genervt den Hafen. Den Urlaub in Dubai haben wir uns jetzt aber wirklich verdient.

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