Endstation Kathmandu?

Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Das ist wohl eine der ersten Lektionen, die man auf Reisen lernt. Dass auf einmal alles vorbei sein könnte, es nicht mehr vor und nicht mehr zurück geht, daran hatten wir bisher nicht im Traum gedacht. Und doch sieht es ca. 200 Kilometer vor Kathmandu plötzlich so aus.

Mit gebrochener Feder und kaputtem Auspuff quälen wir uns langsam eine gewundene Bergstraße Richtung Muglin-Highway nach oben. Ungebrochen soweit jedoch unser Optimismus. Wir fahren zurück in die Overlander-Werkstatt von Irwin. Alle Wehwehchen scheinen reparabel und wir freuen uns, dort Sissi und Chris zu treffen, mit denen wir zusammen durch Myanmar fahren werden.

Von einer Minute auf die andere sieht die Welt jedoch plötzlich nicht mehr so rosig aus. Der Schrödinger stößt plötzlich dunkle Rauchschwaden aus, der Motor gibt ein jämmerliches Hämmern von sich, aus der Motorhaube steigt Qualm auf und auch im Führerhaus wird es neblig. Ein Albtraum! Schweigend stehen wir vor dem qualmenden Auto. Im Rohr zwischen Turbolader und Krümmer klafft ein Loch. Das Teil ist einfach durchgeschmolzen. Das hämmernde Motorengeräusch stammt wahrscheinlich von einem Plastikpartikel, der in den Motor eingesaugt wurde. Kapitaler Motorschaden? Wahrscheinlich. Große Ratlosigkeit macht sich breit. War´s das jetzt? Ist der Traum der Reise von München nach Thailand hier ausgeträumt?

Dieses Loch hätte uns fast den Motor gekostet

Während Michi mit Irwin in Kathmandu telefoniert, springe ich in einen vorbeikommenden Bus, um uns im nächsten Ort Wasser und etwas zu Essen zu besorgen. Die Bus-Crew ist sehr nett und die Männer bringen mich nicht nur bis zum nächsten Dorf, sondern sogar zu einem Mechaniker. Dieser zeigt sich sofort außerordentlich hilfsbereit, kauft mir Wasser, Bananen und ein paar Samosas, bevor wir auf seinem Motorrad zurück zu Michi düsen. Selbstverständlich hat er einen Helm. Selbstverständlich bekomme ich keinen. Während der Fahrt erzählt mir der junge Mann, dass er im Dorf ein kleines Restaurant besitzt. Moment mal! Ich dachte, du bist Mechaniker? Ständig dreht er sich zu mir um und zählt auf, was er mir und Michi nachher alles kochen wird. Nudeln, Gemüse, Frittiertes, Alles, was wir möchten. Dass ich gerne möchte, dass er sich etwas mehr auf die Straße vor, als auf die Person hinter ihm konzentriert, sieht er nicht so ganz ein. „Don´t worry! No problem!“. Natürlich. Entgegen meiner Erwartung kommen wir unbeschadet wieder beim Schrödinger an. Sofort erkennt das geschulte „Mechaniker-Schrägstrich-Koch-Auge“ das Problem. Der Motor wird nochmal angeschmissen und der Schrödinger schnurrt zum Glück wieder wie ein Kätzchen. Er hat das Plastikteilchen offensichtlich ohne größeren Schaden einfach mit verbrannt. Langsam rollen wir den Berg hinunter zu einer kleinen Werkstatt. Der Mechaniker dort verbringt ca. eine halbe Stunde damit, das Loch mit einer ominösen Paste zu verkleben, die angeblich schon nach zehn Minuten trocken sein soll. Eine knappe Stunde später sind wir wieder auf der Straße nach Kathmandu und hoffen und bangen nun nicht mehr nur, dass die Feder durchhält, sondern auch das provisorisch geklebte Rohr nicht nochmal durchschmilzt. Ausgerechnet heute geht es nur steil bergauf. Der junge Mann, der uns zur Werkstatt gebracht hat, ist ein wenig enttäuscht, dass wir nun nicht mehr zum Essen bleiben. Wir bedanken uns tausend Mal für seine Hilfe, doch wir wollen so schnell wie möglich mit dem Schrödinger in die Werkstatt.

Der Mechaniker klebt das Loch einfach zu
Der Mechaniker klebt das Loch einfach zu
Michi ist skeptisch
Michi ist skeptisch

Noch mehr kommen wir ins Schwitzen, als der Muglin-Highway beginnt. Er war in der vergangenen Woche mehrfach wegen Erdrutschen gesperrt. Auch heute kullern ständig Steine und Erde von den total durchweichten Hängen und wir beten, dass sie nicht erneut ins Rutschen kommen, während wir gerade daran vorbei fahren. Kurz vor Kathmandu, nachdem wir noch eine gute Stunde im Stau verbracht haben, bricht plötzlich ein heftiges Monsungewitter los. Die Straßen verwandeln sich in Flüsse, von den Hängen schießt das Wasser herunter. Im Schneckentempo kriechen wir nach Kathmandu, wo uns nach 14 Stunden Fahrt ein strahlender Irwin mit zwei kühlen Flaschen Bier, Sissi und Chris sowie eine ganze Horde Hunde begrüßen, die uns nun endgültig einschlammen. Doch wir sind so erleichtert diesen Tag hinter uns gebracht zu haben, dass uns das mittlerweile auch egal ist und wir trotz allem noch einen schönen Abend zwischen Autoteilen und Matsch verbringen. Jetzt wird bestimmt Alles wieder gut!

Am nächsten Morgen scheint die Sonne und wir wollen erstmal unsere Markise ausfahren. Kaum habe ich die Kurbel berührt, schießt die Markise aus ihrer Halterung. Michi springt gerade noch hoch und fängt sie auf, bevor sie komplett aus ihrer Verkleidung rauschen und auf das Auto neben uns fallen kann. Ok, die Kollision mit dem LKW in Ladakh hatte wohl doch weitreichendere Folgen. Kein Problem, kann man ja auch reparieren. Wir geben Irwin und seinen Mitarbeitern eine Liste:

  • Auspuff schweißen
  • Neue Stoßdämpfer und Federn einbauen
  • Neues Plastikrohr für den Motor besorgen und einbauen
  • Markise reparieren
  • Ölwechsel

Die anfängliche Euphorie weicht nach über einer Woche in der schlammigsten Garage der Welt bald Ernüchterung. Bis heute ist keine der Reparaturen auf der Liste auch nur ansatzweise erledigt. Selbst die Federn, die wir in Mumbai eigens neu fertigen lassen mussten, sind bereits in Kathmandu angekommen, ohne dass hier auch nur der Ölwechsel vorgenommen wurde. Jeden Tag heißt es: Ja ja, nachher fangen wir an. Als es dunkel ist, ist wieder nichts passiert. Das Frust-Level steigt langsam aber kontinuierlich an. Am 28. Juli müssen wir an der Grenze zu Myanmar sein. 1.500 Kilometer über schlechte Straßen und durch den Monsun liegen noch vor uns. Wenn sich nicht bald etwas am Schrödinger tut, wird es schwierig.

(Update: Seit gestern wird endlich fleißig am Schrödinger gewerkelt. Nur leider rückt nun der Zoll unsere Federn nicht heraus. Wir hoffen auf Sonntag Vormittag!)

Bei Regen steht der Workshop fast komplett unter Wasser
Bei Regen steht der Workshop fast komplett unter Wasser

Die nächste Hiobsbotschaft lässt nicht lange auf sich warten: Thailand ändert zum 27. Juni unerwartet die Einreisebestimmungen für private ausländische Fahrzeuge. Kurz:

  • Fahrzeuge über 3,5 Tonnen dürfen nicht mehr einreisen
  • Man muss das Land über die selbe Grenze wieder verlassen, über die man eingereist ist
  • Die Route durch Thailand muss 30 Tage vorab von den Behörden abgesegnet werden
  • Gefühlt tausend Dokumente müssen eingereicht werden, von denen wir einige gar nicht oder nicht in englischer Sprache besitzen
  • Der Bürokram hierfür kann nur über eine Agentur erledigt werden, die dafür 800 USD verlangt

Neben den zusätzlichen Kosten und dem Papierkram, ist es uns nicht möglich, wieder nach Myanmar zurückzufahren. Wo sollten wir dann hin? Zurück nach Mumbai und nach Deutschland verschiffen, kommt für uns auf keinen Fall in Frage. Selbst wenn wir zumindest nach Malaysia ausreisen dürften, wäre unsere Fahrt vorzeitig beendet, da wir von dort dann nur noch mit dem Frachtschiff weg kommen. Laos und Kambodscha sind mit dieser Regelung komplett versperrt, da wir die Kosten und den Papierkram für Thailand erneut auf uns nehmen müssten, um zum Hafen nach Malaysia zu gelangen.

Chris und Sissi, die die gleiche Route geplant hatten stehen vor dem selben Problem. Tagelang sitzen wir zusammen und diskutieren, schicken Mails an alle möglichen Behörden in Deutschland und Thailand. Niemand kann uns weiterhelfen. Thailand scheint endgültig dicht zu sein. Wir sitzen mehr oder weniger fest.

Schließlich schmieden wir zu Viert einen neuen Plan: Wir fahren heim. Durch Myanmar, China, die Mongolei und Russland. Obwohl wir sowohl für Myanmar und China eine Agentur benötigen, die uns auf dem ganzen Weg begleitet, ist diese Variante immer noch günstiger, als die Kosten für Thailand und die Verschiffung von Malaysia zu tragen. Schweren Herzens trennen wir uns von dem Traum, mit dem Auto nach Südostasien zu fahren und fangen an, uns auf das neue Abenteuer zu freuen. Wir organisieren den zum Glück nicht ganz so aufwendigen Papierkram und beantragen unser Visum für China. Thailand, Laos und Kambodscha verschieben wir auf die Zeit nach der großen Tour mit dem Schrödinger. Man braucht schließlich ja auch in Zukunft noch Träume!

Zwei Tage später kursiert im Internet eine neue Meldung: Thailand will die Bestimmungen wieder lockern. Die Regelung mit der Grenze kann umgangen werden, die Kosten für die Papiere belaufen sich nur noch auf 120 USD und auch die Zahl der einzureichenden Dokumente schwindet. Gleichzeitig meldet unser chinesische Agentur Bedenken an: Chris und Sissi haben sich, sehr zu unserer Freude, dazu entschieden, einen kleinen Hund aus Irwins Werkstatt zu adoptieren. Doch mit ihm können wir nicht so einfach nach China einreisen, er müsste für 30 Tage in Quarantäne. Na super! Aufteilen können und wollen wir uns im Moment nicht. Zum einen teilen wir uns die Kosten für die ansonsten unbezahlbaren Agenturen in China und Myanmar. Zum anderen verstehen wir uns einfach sehr gut und wollen, wenn möglich, noch einige Zeit zusammen reisen. Und dass unser neuer kleiner Freund zurück bleibt, kommt unter keinen Umständen in Frage!

Mit Sissi und Chris beim "romantischen" Dinner auf dem Werkstattgelände
Mit Sissi und Chris beim „romantischen“ Dinner auf dem Werkstattgelände

Auch die Agentur für Myanmar macht nun Probleme. Die Gruppe, die zuvor aus fünf oder sechs Fahrzeugen bestand, teilt sich nun auf. Einige unterbrechen wegen der neuen Regelungen ihre Reise gänzlich und sagen ab, zwei weitere wollen unbedingt nach Thailand. Auch hier gilt: Je kleiner die Gruppe, desto höher die Kosten. Wir überlegen kurz, doch nach Thailand einzureisen, um uns von dort aus über China und Russland auf den Heimweg zu machen. Doch es würde für Michi und mich zu lange dauern und wir würden es bis Weihnachten nicht Nachhause schaffen. Außerdem muss ich im Januar wieder anfangen zu arbeiten, wenn ich die sichere Aussicht auf einen Job nicht verlieren möchte. Auf Winter in Russland hat zudem keiner von uns große Lust. Allein bei dem Gedanken daran, bekomme ich spontan Schüttelfrost.

Wir sind etwas ratlos. Zum Glück sind wir uns in vielen Punkten, was die Weiterreise betrifft, mit Sissi und Chris einig. Gegensätzliche Meinungen diskutieren wir konstruktiv und freundschaftlich. Wenigstens zwischen uns funktioniert alles reibungslos! Doch zu einem wirklichen Ergebnis sind wir leider bisher immer noch nicht gekommen. Jeden Tag prasseln neue Informationen auf uns ein. Von anderen Reisenden, den Agenturen oder Behörden.

Aber es wird schon irgendwie weiter gehen. Das ist auch eine der Lektionen, die man auf Reisen lernt.

Badetag für die Welpen

Eine Antwort auf „Endstation Kathmandu?“

  1. Hallo Ihr Zwei,

    sehr spannend, Eure Berichte zu verfolgen, die ich Anfang des Jahres entdeckt habe, als unsere Reise nach und nach Formen anzunehmen begann.

    Wir werden zu viert unterwegs sein mit einem 508er, der uns hoffentlich sehr zuverlässig begleiten wird. Auszeit mit Familie, anderer Film als Eurer, aber hoffentlich sehr bereichernd und belebend für uns alle. Wir freuen uns schon die ganze Zeit ein Loch in den Bauch.

    Ihr schreibt, Ihr wollt durch Myanmar mit eurem Schrödinger. Nach meinen Infos darf man als Ausländer nicht in Myanmar fahren.
    Habt Ihr andere Infos? Vielleicht aktueller? Habt Ihr Kontakte zu Fahrern?
    Auch im Bezug auf Thailand finde ich die Verschärfungen nicht. Es wäre toll, wenn Ihr mir mit Euren Quellen weiterhelfen könntet.

    Bei uns geht es Anfang September los. Erst bis Griechenland, Piräus und dann vielleicht, vielleicht zusammen mit unserem Bus per Frachtschiff nach Malaysia. Die Verhandlungen laufen noch. Ungeplante Belastungen für unsere Reisekasse.

    Unsere geplante Tour durch die Türkei in den Iran ist leider aufgrund der derzeitigen Situation gestrichen, sehr schade. Der Iran interessiert mich brennend.

    Euch eine gute Weiterreise, ich bin gespannt, welche Wege sich für Euch auftun werden.
    Viele Grüße, Irene

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