MItten in der indischen Stadt Sonauli stehen wir im Stau. Die Straßen sind, staubig, eng und chaotisch. Es ist drückend heiß und wir hängen eingekeilt zwischen großen, stinkenden, dafür aber hübsch angemalten LKWs fest. Autos, Lastwagen und Motorräder versuchen sich auf beiden Straßenseiten aneinander vorbei zu schieben. Doch der Platz ist eng. Immer wieder muss rangiert und natürlich lautstark gehupt werden. Laut Navi ist die nepalesische Grenze nur noch 200 Meter entfernt. Ernsthaft? Das kann nicht sein! Oder doch? Es klopft an meinem Fenster. Ein junger Mann gibt mir zu verstehen, dass er mich zum Immigration Office bringen könne. Ich versuche ihn abzuwimmeln. „Das finde ich schon alleine und vor allem, werde ich dir kein Geld geben.“ Er verdreht die Augen und versucht mir klar zu machen, dass er mir wirklich nur helfen wolle. Ich bin immer noch skeptisch. Trotzdem trotte ich ihm durch die staubige und laute Straße hinterher. Tatsächlich bringt er mich zur Einwanderungsbehörde, wo ich die übliche Prozedur mit Pässen und Carnet erledige. Anschließend zeigt er mir das Büro der Zollbehörde und verlangt tatsächlich kein Geld. Ich entschuldige mich für mein Misstrauen, doch er grinst mich nur wissend an und wünscht mir noch einen schönen Tag. Ehrlich, beide Büros hätten wir diesmal alleine nur schwer gefunden. Es sind kleine Buden, eingequetscht zwischen unzähligen, typisch indischen Krimskrams-Shops.
Im Büro der Zollbehörde treffen wir wieder auf Regula und Jon aus der Schweiz. Ehe wir uns versehen, ist ein Mann, hoffentlich ein Mitarbeiter der Zollbehörde, mit unserem Carnet verschwunden und wir sitzen zusammen mit den beiden Schweizern und ein paar der Zöllner bei einem Chai. Der Mann mit unserem Carnet kommt zurück und ich gehe mit ihm die übliche Fahrzeuginspektion durch. Als wir uns auf den Boden hocken, um die Fahrgestellnummern abzugleichen, kommt plötzlich ein anderer Mann angelaufen, hockt sich zwischen uns und schaut sich unsere Papiere an. Verwirrt frage ich den Zöllner, was denn der Andere jetzt plötzlich hier noch will, woraufhin dieser den neugierigen Passanten lautstark verscheucht. Blonde Frau kniet mit indischem Mann vor seltsamen Auto – Das musste sich der junge Mann wohl mal kurz genauer anschauen. Später sehe ich ihn nochmal, wie er bei seinen Freunden mit seiner mutigen Aktion prahlt und ihnen von unserer Reise erzählt, obwohl er davon keine Ahnung haben dürfte.
Selfie-Time an Buddhas Geburtshaus
Keine Viertelstunde später rollen wir durch ein niedriges Portal auf die nepalesische Seite der Grenze. Die gleiche Prozedur beginnt von vorne und gut eine Stunde später haben wir es geschafft: Wir sind in Nepal! Land Nummer zwölf auf unserer Reise. Zusammen mit Jon und Regula fahren wir nach Lumbini, die Geburtstätte Buddhas. Da es schon dunkel ist, suchen wir uns ein Hotel, dessen Angestellte uns mit einem fröhlichen „Namasté“ begrüßen und uns kostenlos auf dem bewachten Parkplatz übernachten lassen. Ein guter Start! Nach einem ausgiebigen Frühstück wollen wir uns am nächsten Morgen natürlich das Geburtshaus von Buddha ansehen. Für die vielen Nepalesen vor Ort rückt die historische Stätte jedoch schnell in den Hintergrund, als sie uns entdecken und wir müssen wieder für etliche Selfies herhalten. Doch die Stimmung ist freundlich und höflich. Vor allem von Jon sind die jungen Nepalesinnen sichtlich angetan.
Nach der Besichtigung trennen sich unsere Wege. Die beiden Schweizer machen sich auf direktem Weg nach Kathmandu, wo sie ihr Auto den Sommer über unterstellen. Im Herbst wollen sie dann versuchen, von dort aus die Grenze nach Tibet zu überqueren. Wir fahren dagegen nach Westen, zu Nepals zweitgrößter Stadt Pokhara. Dort gibt es einen Campingplatz für Overlander, der ebenfalls von einem Schweizer betrieben wird und wo wir uns erstmal ein paar Tage entspannen möchten. Doch die Straßen in Nepal sind sehr schlecht. Zusammen mit hunderten von LKW schieben wir uns im Schneckentempo an einer holprigen und staubigen Bergstraße entlang. Immer wieder ist die Fahrbahn wegen Erdrutschen auf nur eine Spur verengt und wir stellen zu unserem Leidwesen fest, dass die Nepalesen genauso wenig Autofahren können wie die Inder. So brauchen wir für zehn Kilometer gute zwei Stunden.
Als es dunkel wird, sind wir immer noch viel zu weit von Pokhara entfernt. Wir brauchen einen Schlafplatz. Doch wo? Links und rechts geht es entweder steil begrauf oder noch schlimmer, richtig tief bergab. In einer kleinen Stadt entdecken wir neben einem Polizeiposten eine Parklücke. Ohne große Hoffnung fragen wir die Polizisten, ob wir bei ihnen übernachten dürfen und sind mehr als überrascht, als diese den Stacheldraht beiseite schieben und uns freundlich aufnehmen. Kaum stehen wir, kommen auch schon drei Polizisten und nehmen Michi in „Gewahrsam“ – er muss mit ihnen nepalesischen Wein trinken gehen. Als er nach einer Stunde nicht wieder auftaucht, geselle ich mich dazu, probiere einen Schluck von dem scheußlichen Zeug und hoffe, dass mein Mann am nächsten Tag nicht erblindet ist. Die Polizisten sprechen kaum Englisch, dafür lernen wir an diesem Abend, dass „Didi“ „Schwester“ heißt und die Wörter „Budi“ und „Buda“ „Ehemann“ und „Ehefrau“ bedeuten. Für den kommenden Morgen wird Michi noch zu einer Partie Badminton auf dem Polizeigelände eingeladen – und zwar um sechs Uhr morgens. Da er nicht unhöflich sein will, steht er am nächsten Tag pünktlich am Platz neben unserem Auto bereit, wo sich schon einige Polizisten am Spielen sind. Nur unsere drei tauchen nicht auf. Sie haben am Vorabend wohl doch ein wenig zu viel des Guten erwischt.
Als wir unseren Weg Richtung Pokhara fortsetzen, gefällt uns sehr, was wir durch die Autofenster sehen: Hohe Berge, tiefe Täler mit schönen Flüssen, freundliche Menschen, die uns zuwinken und vor allem aufgeräumte Straßen und wenig Müll. Mit persönlich gefällt vor allem, dass endlich auch wieder Frauen das Straßenbild dominieren. Doch ich bin immer noch angespannt. Was wird uns hier wohl erwarten? Wie werden die Menschen auf uns reagieren? Doch mit jedem Kilometer werde ich zuversichtlicher.
Overlander Camping in Pokhara
Angekommen auf dem Campingplatz haben wir das Gefühl, eine Oase der Glückseligkeit gefunden zu haben: Eine grüne Wiese mit Bäumen, Blumen, einem Teich und einer Brücke, umgeben von grasenden Büffelherden, eingebettet in eine malerische Hügellandschaft. Man hat buchstäblich das Gefühl in einem Vorgarten zu campen. Nach einer gefühlten Ewigkeit können wir uns endlich einmal wieder so richtig ausbreiten, die Markise ausfahren, Tisch und Stühle vor den Schrödinger stellen und unbehelligt draußen sitzen. Dabei leisten uns Rene und Brigitte aus der Schweiz Gesellschaft, die hier ebenfalls mit ihrem Camper ein paar Tage verbringen. Herrlich!
Ein frohes neues 2073!
Als wir erfahren, dass bald das Nepalesische Neujahrsfest ansteht, zieht es uns zurück in die Stadt. Das wollen wir schließlich nicht verpassen. Neben einem Militärstützpunkt parken wir unser Auto und sind ganz verzückt, von den vielen süßen Vögeln, die munter in den Bäumen über dem Schrödinger zwitschern. In einer kleinen Seitengasse von Pokhara finden wir die „Busy Bee Bar“. Wir haben Glück. Obwohl schon total überfüllt, dürfen wir noch hineinschlüpfen – und trauen unseren Augen kaum: Eine Nepali-Live-Rock-Band gibt gerade „Sweet Child of Mine“ von Guns´n Roses zum besten, während sich auf der total überfüllten Tanzfläche neben zahlreichen Nepalesen auch einige weiße und asiatische Touristen die Seele aus dem Leib singen und tanzen. Alle sind ausgelassen, fröhlich, Männer wie Frauen egal welcher Herkunft feiern und haben eine gute Zeit miteinander. Alles wirkt einfach nur normal. Ich bin unendlich dankbar für diesen unvergesslichen Augenblick und fühle mich seit langem wieder richtig frei. Happy 2073! In Nepal ticken die Uhren tatsächlich ein wenig anders.
Als wir spätnachts zu unserem Auto zurückkehren, müssen wir leider feststellen, dass die hübschen Vögelchen den lieben Schrödinger als Klo benutzt haben. Er sieht nicht nur eklig aus, sondern stinkt auch noch zum Himmel. Das haben wir ja wieder super hinbekommen! Nachdem wir ihn am nächsten Morgen ordentlich schrubben haben lassen, besuchen wir noch das Neujahrs-Volksfest in Pokhara. Dort gibt es viele kleine Essens-Stände, ein Riesenrad, eine große Schiffschaukel und einen antiquierten „Break Dance“, der mit einem Traktormotor angetrieben wird. Auf dem Fest sind nur sehr wenige Touristen und auf Grund unserer Größe und der hellen Haut und meiner mittlerweile wieder halbwegs blonden Haare stechen wir ziemlich hervor.
Auch hier sind wir natürlich ein Hingucker. Doch die neugierigen Blicke der Menschen werden begleitet von einem freundlichen Lächeln und hin und wieder auch einem fröhlichen „Namasté!“. Wir fühlen uns willkommen und probieren unsere ersten Momos – mit Fleisch oder Gemüse gefüllte Teigtaschen. Der Stress der vergangenen Wochen fällt endlich von uns ab und wir freuen uns auf Alles, was Nepal in den nächsten beiden Monaten noch mit uns vor hat.
Klasse! …mal wieder ein sehr schöner Reisebericht. Ich hoffe, ihr bringt ein schönes Buch heraus oder tragt eure Bilder, Videos Erfahrungen irgendwo öffentlich vor!!!
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… Klar im Globetrottertreffen in Tittling 2017.. 😉
Auch wir waren in 2007 in Nepal. Wie herlich ruhig nach denn lerm in India wo wir 3 monaten waren, das war geniessen. Wenn Ihr wolt konnt Ihr lesen auf unsere site. http://www.trottermoggy.com Wir sind Kees und Els aus Holland sind den 5 may 2006 bis 2007 von Holland nach Thailand gefahren. 30.000 km. 12 laendern in 14 monaten, mit einen Mercedes Unimog. Momental wohnen wir schonn wieder 8 Jahre in Thailand – 23 km. von Chiang Mai. Wenn Ihr unsere Nepal foto’s anschauwt wird es auch bestimmt bekannt sein. Also weiter nog eine gute reise und wenn Ihr nach Thailand kommt, seit ihr naturlich wilkommen. Schoene gruesse von Kees und Els aus den Amazing Thailand.
Hallo Kees und Els, vielen Dank für die Einladung. Vielleicht schauen wir ja wirklich bei euch vorbei?! Ich freue mich schon sehr auf Chiang Mai!